Die Musikbibliothek im Augustinerkloster
Im Jahr 1805 eröffnete der damalige Stadtkantor Johann Gottfried Schade ein "Vollständiges Verzeichnis der Musicalien, welche seit dem 1-ten Julius 1805 zum Gebrauch bey den hiesigen Haupt-Pfarrkirchen gesammelt worden sind".
So lautet der Titel dieses Katalogs. Im Vorwort des Sonderdrucks des Deutschen Musikwissenschaftlichen Archivs Kassel (Katalog Nummer 22, Band IV/Nummer 4, erschienen im Bärenreiterverlag Kassel), der die Musikhandschriften unserer Bibliothek ausweist, steht irrtümlicherweise, dass es sich um das Notenmaterial der Augustinerkirche handelt.
Es sind aber vielmehr die Haupt-Pfarrkirchen, also Augustin und Margarethen dafür einzusetzen. Die Schlosskirche war ja damals keine Stadtkirche, sondern Hofkirche. Nach dem Aufbewahrungsort wird die Bibliothek heute "Musikbibliothek der Augustinerkirche Gotha" genannt.
Stadtkantor Schade, selbst auch kompositorisch und bearbeitend tätig, nahm in den Bestand auch Werke des "klassischen Erbes" auf, im Gegensatz zu Benda, der die Kantaten seines Vorgängers Stölzel missachtete.
Unter der Überschrift "Ältere Musicalien, die des Aufbewahrens wohl wert sind" sind summarisch heute nur noch zum Teil nachweisbare Werke von Homilius, Telemann, Stölzel(!) und Benda notiert.
Alle anderen Opera des Verzeichnisses sind einzeln mit Titel und weiteren Bezeichnungen aufgeführt, z. B. dazu die Incipits (Anfangstakte in Noten).
Als musikwissenschaftlich besonders wertvoll wurde die Autografie des Passions-Oratoriums von Johann Ernst Bach eingeschätzt. Dieses Werk gelangte schon vor vielen Jahren in den Besitz der Preußischen Staatsbibliothek. Drei weitere Kompositionen des Autors befinden sich in Abschriften nach wie vor in Gotha.
Johann Sebastian Bach erscheint unangefochten mit etlichen Werken im Hauptteil, ebenso Hans Leo Haßler und Georg Friedrich Händel. Sein "Messias" ist in einer akkuraten Abschrift mit der Instrumentierung Mozarts und in rotes Leder gebunden ein besonders schönes Exemplar.
Vom Zeitgenossen Joseph Haydn finden sich "Schöpfung", "Jahreszeiten", "Die sieben Worte des Erlösers am Kreuz", "Stabat mater" und verschiedene Messen.
Weiterhin sind u. a. Graun ("Der Tod Jesu"), Beethoven ("Christus am Arlberg"), Pergolesi ("Stabat mater") und Mozart (einige Meßstücke, Arien und Einzelstücke) vertreten. Nach und nach kamen andere Eintragungen von Nachfolgern Schades hinzu. Die böhmische Komponistenemigration ist mit Kotzeluch, Vanhall, Brixi, Danzi und von Dittersdorf vertreten, ebenso die deutsche Romantik mit Louis Spohr, Abba© Vogler, Carl Maria von Weber, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Johann Ludwig Böhner und anderen.
Auch ein liturgischer Gesang von Bortnjanski aus St. Petersburg ist vorhanden. Seine liturgischen Kompositionen sind bei einem Besuch in Berlin zusammen mit Zar Alexander in Deutschland, besonders in Preußen so heftig aufgenommen worden, dass sie in verschiedenen deutschen Landeskirchen bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts zur Hauptliturgie gehörten.
Einige Komponisten von klassisch-romantischer Chormusik seien schließlich genannt: Himmel, Weinlig, Romberg, Bergt, Müller, Rolle, Naumann, Zumsteeg, Zelter, Felsberg. Manche sind mehr von lokaler Bedeutung und werden von daher für musikwissenschaftliche Arbeiten, Dissertationen und heimatkundliche Artikel immer wieder eingesehen.
Auch Johann Gottfried Schade selbst hat mehrere Kantaten hinterlassen und sich auch als Bearbeiter hervorgetan.
Bis zum Jahr 1868 wurden Neuzugänge in den Katalog eingetragen. Die modernsten Komponistennamen sind Löwe und Bruch. Eine der letzten Zugänge ist ein kleines Werk von Stölzel. Damit schließt sich der Kreis.
In der Chornotenbibliothek der Evangelisch-Lutherischen Stadtkirchengemeinde sind die Ältesten Jahrgänge um 1880, zumeist Bestände des Kirchengesangvereins, der Kirchenchöre St. Augustin, St. Margarethen und des Bachchors.
Diese Noten sind bisher karteikartenmäßig erfasst und bilden die ständig und praktisch benutzte Notenbibliothek im Gegensatz zu der oben beschriebenen, die vor allem von historischem und wissenschaftlichem Wert ist. So manches Kleinod daraus wurde aber schon für Aufführungszwecke aufbereitet, handschriftlich, inzwischen aber auch per Computer.
Es ist wohl die höchste Ehre für den Fleiß des Stadtkantors Schade, wenn die Noten zu klingender Musik werden.